paula maguire, forensische psychologin

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Sie wollte nie mehr zurückkommen. Aber irgendwie war sie nun doch hier.
»Jesus, Maria und der heilige Josef. Ist das nicht die kleine Paula Maguire, die hier vor mir steht
»Ja, das ist sie. Hallo, Pat.« Aber jetzt nicht mehr so klein, dachte Paula. Sie war inzwischen fast einen Kopf größer als die kleine Frau, die sie umarmte und in ihren Acrylpullover drückte, der ihren Busen bedeckte.
Paula schubste ihr Gepäck durch die Haustür in das Heim ihrer Kindheit. Es war genau derselbe dunkle, schäbige Ort, die Wände mit Familienbildern geschmückt, die bis 1995 reichten und danach nichts mehr. Derselbe Geruch nach Verpflichtungen und Kochen. Von Rechts wegen hätte die Familie weit und oft umziehen müssen, denn sie wurden von der örtlichen IRA als legitime Ziele bezeichnet, aber sie waren geblieben – für den Fall, dass sie zurückkäme und sie nicht da wären. In Familien war es so üblich, wenn ein Familienangehöriger ohne Spur verloren ging. Die Hoffnung ließ sie an Ort und Stelle verweilen.

aus “The Lost”
(eigene Übersetzung)

Auf der Suche nach verschwundenen Menschen

Als Paula Maguire dreizehn Jahre alt ist, verschwindet ihre Mutter, spurlos. Paula ist am Boden zerstört. Bis heute ist sie verzweifelt, obwohl sie inzwischen zu einer angesehenen forensischen Psychologin wurde, die sich auf vermisste Personen spezialisiert hat und eng mit der Polizei zusammenarbeitet.

Kurz gesagt: Paulas Lebensaufgabe besteht darin, ihre Mutter zu suchen und zu finden, vermeintlichen Spuren und Hinweisen nachzugehen und sie auszuwerten, um endlich zu einer Erklärung zu kommen. Ich bin nicht sicher, ob es ihr jetzt, etwa fünfzehn bis fast zwanzig Jahre später, wirklich wichtig ist, ob ihre Mutter tot oder noch am Leben ist. Sie sehnt sich eher nach absoluter und endgültiger Gewissheit.

Paulas privates Schicksal spielt vor dem Hintergrund von Nordirland und der Unruhen in den 90er Jahren. Sie ist die Tochter eines katholischen Polizisten, und ihre Mutter scheint für die britische Armee und dem britischen Geheimdienst gearbeitet zu haben. Anfang der 90er Jahre war diese Kombination nicht gerade intelligent.

Ich habe schon einige Krimiserien gelesen, die in Nordirland bzw. irgendwo an der Grenze zwischen Irland und Nordirland angesiedelt sind. Diese Serie hier befasst sich von Anfang bis Ende mit dem Verschwinden von Paulas Mutter. Paula versuchte zwar, indem sie nach ihrem Schulabschluss nach England, nach London, zog, der bedrückenden Realität in ihrer Heimatstadt zu entkommen, doch das ungeklärte Schicksal ihrer Mutter lässt sie bis heute nicht los.

Zurück in Nordirland, etwa fünfzehn Jahre später, nur aufgrund ihrer Jobs markiert für sie den Startpunkt für eine neue private Ermittlung. Offiziell arbeitet Paula mit der Polizei zusammen, wenn es um Mordfälle, Entführungen, Kindesmissbrauch geht … und es liegen immer viele unerledigte Fälle und Akten auf ihrem Schreibtisch. Es gelingt der Serie, Paulas Schicksal und ihr Ringen um Wahrheit mit aktuellen Kriminalfällen zu verbinden. Die aktuellen Fälle sind stets im Vordergrund, während sich die Suche nach Spuren der Mutter wie eine Nebensache dahinschleppt.

Als Paula in ihre Heimatstadt zurückkehrt, sind die Unruhen in Nordirland seit etwa zehn Jahren beendet. Das Leben hat sich jedoch nicht verändert, obwohl die Gewalt, die Übergriffe, die Morde, die Racheakte deutlich zurückgegangen zu sein scheinen. Die Menschen sind genauso vorsichtig und zurückhaltend geblieben wie früher und verstecken sich hinter Mauern des Schweigens. Niemand ist sich sicher, ob und wie man dem Nachbarn vertrauen kann. Oft führen unbedachte Äußerungen dazu, dass ein Verrat, begangen vor Jahrzehnten, mit einem Mal bekannt wird und nach Maßnahmen ruft.

Paulas Vater hat sich zur Ruhe gesetzt und lebt nach wie vor im selben Haus, zwischen all den alten Möbeln … Den Kleiderschrank von Paulas Mutter hat er nie ausgeräumt. Sein Leben endete, als seine Frau verschwand. Er ist zwar in eine Nachbarin verliebt, aber er ist katholisch und verheiratet. Solange nicht irgendwo eine Leiche gefunden und als seine Frau identifiziert wird, kann er nicht den nächsten Schritt machen und ein neues Leben beginnen.

Paula muss in diesem Chaos leben. Sie kam zurück, um einen einzigen Fall, in dem es um verschwundene Teenager geht, zu lösen, bleibt aber schließlich für weitere Fälle der Polizei. Es gibt recht viel zu tun: Leichen tauchen nach Jahren oder Jahrzehnten auf, Menschen verschwinden, Kriminelle frönen ihrer Leidenschaft fürs Töten, Familien begleichen alte Rechnungen.

Die früheren IRA-Kämpfer sind insgeheim immer noch aktiv und in Alarmbereitschaft. Keine Familie hat jemals etwas vergessen. Leichen werden unter Fußbodenbrettern gefunden, wenn ein neuer Besitzer beschließt, zu renovieren. Skelettreste tauchen fast überall auf Feldern und in Wäldern auf. IRA-Kämpfer kehren aus dem Gefängnis nach einer Amnestie zurück und begegnen den Angehörigen ihrer früheren Opfer. Immer wieder entscheidet plötzlich jemand, dass es endlich Zeit für eine späte Rache ist.

Es ist eine schreckliche und grausame Gesellschaft in einer blutigen Welt. Paula ist sich all der Leichen irgendwo da draußen bewusst und fragt sich immer wieder, ob auch ihre Mutter dort in einem provisorischen Grab verscharrt wurde. Wurde ihre Mutter zum Opfer, weil ihr Vater, der katholische Polizist in der protestantischen Polizeiorganisation, gegen seine katholischen Mitbürger kämpfte? Ist etwas an den Gerüchte dran, dass ihre Mutter für den britischen Geheimdienst arbeitete und für die IRA eine Verräterin war? Hatte sie einen Liebhaber, einen britischen Soldaten? Wurde sie zu Tode gefoltert? Oder konnte sie noch rechtzeitig flüchten?

Paula beginnt eine Liebesaffäre mit einem Kollegen bei der Polizei, einem verheirateten Kollegen, und wird schwanger. Ihr Liebhaber weiss nichts von seinem Kind. Gleichzeitig wird seine Frau schwanger, und Paula beschließt zu schweigen. Später heiratet sie einen alten Freund aus Kindertagen, aber die Vergangenheit holt ihren Mann ein, der einst als Kind Zeuge des Mordes an seinem Vater durch die IRA wurde. Er landet im Gefängnis, schuldig oder unschuldig – niemand weiß es für lange Zeit so genau.

Neben all diesen privaten Problemen gibt es Paulas Fälle, die wirklich unter die Haut gehen. Diese Gesellschaft in Nordirland scheint keine Chance zu erhalten, sich von den Verbrechen der Vergangenheit zu erholen, auch wenn es nicht immer eine direkte Verbindung zu den Unruhen gibt. Wie auch immer: Die Romane sind immer spannend. Paula stochert im Dreck der Gesellschaft herum und enthüllt oft mehr als für sie und ihre Familie gesund ist.

Ohne den Ausgang der Serie verraten zu wollen: am Ende wird das Geheimnis um das Verschwinden von Paulas Mutter gelüftet.

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a faint cold fear thrills through my veins ... william shakespeare