kommissar adamsberg aus paris

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Adamsberg hätte seit einer haben Stunde im Büro sein müssen, aber er saß noch immer im Bistro gegenüber und rührte in seinem Kaffee. Nicht, daß er es sich erlaubte, zu spät zu kommen, weil ihm heute, mit fünfundvierzig, ein gewisser Respekt entgegengebracht wurde. Er war schon mit zwanzig immer zu spät gekommen. Sogar bei seiner Geburt war er sechzehn Tage zu spät dran gewesen. Adamsberg hatte keine Uhr, aber er war auch nicht In der Lage zu erklären, warum nicht, er hatte nichts gegen Uhren. Auch nicht gegen Schirme. Eigentlich gegen gar nichts. Nicht, daß er nur das hätte tun wollen, was er mochte, es lag einfach daran, daß er sich nicht zu etwas zwingen konnte, wenn seine Stimmung etwas Gegenteiliges bevorzugte. … Und heute war seine Stimmung so, daß er langsam in einem Kaffee rühren mußte. Vor drei Tagen war jemand in seinem Stofflager ermordet worden. Seine Geschäfte schienen so zwielichtig, daß drei von den Inspektoren seine Kundenkartei durchforsteten, in der Überzeugung, den Mörder darin zu finden. Adamsberg machte sich um den Fall kein allzu großen Sorgen, seitdem er die Familie des Toten gesehen hatte. Seine Inspektoren suchten einen betrügerischen Kunden, sie hatten sogar eine ernsthafte Spur, und er sah sich den Stiefsohn des Toten an, Patrice Vernoux, ein hübscher Kerl, dreiundzwanzig, zart, romantisch. Mehr machte er nicht, er sah ihn sich einfach nur an.

aus: Es geht noch ein Zug von der Gare du Nord

Über das Lösen von Rätseln

Es taucht eine Leiche auf. Es tauchen Zeichen auf. Manchmal tauchen Leichen und Zeichen gleichzeitig auf. Manchmal tauchen nur Zeichen auf und die Leichen tauchen erst später auf. Manchmal …

Dies sind die Fälle, die Jean-Baptiste Adamsberg, Monsieur le Commissaire (also: Kommissar), inzwischen im 13. Arrondissement in Paris als Leiter der Abteilung für Schwerverbrechen lösen muss. Es den Anschein, dass er ganz allein für alle Fälle zuständig ist – eine One-Man-Show -, aber er hat ein Team, ein ziemlich großes Team sogar, das hart für ihn arbeitet. Dennoch ist es Adamsberg, der dieses einzigartige Bauchgefühl hat, immer wenn etwas nicht stimmt – und zum Ende hin hat sich immer ein großes Durcheinander entwickelt, das nur darauf wartet, von ihm entwirrt zu werden.

Adamsberg weiß sehr wohl, wie es im Abgrund der menschlichen Seele aussieht, denn mehr als einmal musste er schon hineinblicken. Hinter all der formalen Bürgerlichkeit der respektablen Gesellschaft ist niemals jemand weit davon entfernt, ein Verbrecher zu werden, wenn plötzlich die  Eckpfeiler seines Lebens und seines Wohlstands auf dem Spiel stehen. Oder noch schlimmer: Wenn jemand sich plötzlich Sünden hingibt, die er vielleicht viel zu lange schon unter Kontrolle hatte, aber die jetzt auf einmal aus diesem kleinen goldenen Käfig im Gehirn ausbrechen.

Adamsberg trifft auf das Böse. Immer. Ohne selbst vom Bösen eingenommen zu werden. Und das immer wieder.

Die Romane sind anspruchsvoll. Es lohnt sich, sie in Ruhe und mit Hingabe zu lesen, um alle Hinweise, alle versteckten Informationen, die im Roman überall zu finden sind, mitzubekommen. Der Reiz kommt durch die Spannung, die Suche nach der Lösung des Rätsels, das sich in den Anfangskapiteln des Romans langsam offenbart.

Adamsberg wuchs in den Pyrenäen auf und ging zur Polizei. Ganz einfach. Er war ein wildes Kind und arbeitete wie ein wilder Polizist: unorthodox, langsam, nachdenklich, ruhig, aufmerksam, ohne Unterlass … und er war erfolgreich, wo seine Kollegen versagten. Mehr als einmal. So wurde er berühmt – dieser Ruhm war es, der ihn schließlich nach Paris katapultierte.

In Paris fühlte er sich zunächst nicht wohl wegen all der Steinhäuser, der Straßen, des Verkehrs – nirgendwo ist die wilde, weite Landschaft Südfrankreichs zu finden. Adamsberg passte sich an. Sein Privatleben blieb aber eher unterentwickelt: Es gibt eine schöne Geliebte, die ihn immer wieder allein lässt, was ihn immer wieder verzweifeln lässt. Es hat einen Sohn, den er aber erst mehr als zwanzig Jahre nach seiner Geburt kennengelernt hat – bis dahin wusste Adamsberg nicht, dass eine seiner kurzen Affären Folgen gehabt hat.

Sein Team besteht aus Individualisten, von denen jeder irgendwie auf seine eigene Art mehr oder weniger bizarr wirkt. Einige sind brillant, andere weniger brillant. Wenn man die Truppe mit Adamsberg an der Spitze mit etwas Abstand betrachtet, hat man den Eindruck, dass es seine eigene kleine Welt ist… und es gibt sogar eine Katze, die sich inmitten der Büros auf der Polizeiwache ein Zuhause gesucht hat und verwöhnt wird.

Ich sollte noch Commandant Adrian Danglard erwähnen, ein Weißweingenießer, Vater von fünf Kindern, die er allein aufziehen muss, weil seine Frau ihn verlassen hat. Er gehört zu den wertvollsten Mitarbeitern in Adamsbergs Team, weil er eine phänomenale Erinnerungsgabe hat, besonders für alles, was er einmal gelesen hat. (Es ist nicht so, als gäbe es keine Computer und nichts, was nicht in einer Datenbank gespeichert wäre …, aber Danglard ist außergewöhnlich!) Sein enzyklopädisches Wissen arbeitet mit einem scharfen Verstand zusammen, der es ihm ermöglicht, Fakten mit Lichtgeschwindigkeit zu verarbeiten und zu kombinieren. Adamsberg dagegen hat dieses Gefühl für das Böse, das Danglard fehlt. Zusammen bilden sie den Kern des Teams, obwohl sie manchmal während einer Ermittlung auseinander zu driften scheinen.

Wenn man an die Fälle, die Rätsel, denkt, die Adamsberg aufklären muss – so meine Erkenntnis -, ist es so, dass der Mord und weitere Morde, Kollateralschäden von Anfang an gut geplant sind. Der Mörder ist immer intelligent und plant sehr gründlich, was zu tun ist, wann es geschehen muss, welche Zeichen zu setzen sind, wie das eigentliche Verbrechen in der öffentlich sichtbaren Inszenierung verschleiert werden kann … Der Täter ist immer klug, aber einfach manchmal zu klug und all seine Bemühungen, die Polizei davon abzulenken, die Geheimnisse zu lösen, zahlen sich am Ende nicht aus. Für uns, die Leser, wird immer ein Gemenge aus Zeichen, Lügen und falschen Fährten aufgebaut, das lange Zeit die richtige Richtung verbirgt.

Hinzu kommen oft Hinweise auf die Vergangenheit, auf historische Ereignisse, die plötzlich zum Leben erwachen und eng mit den heutigen Verbrechen verbunden zu sein scheinen. Es ist Adamsberg, der es schafft, den Nebel der Geschichte zu lichten, der verbreitet wurde, um die Realität zu verbergen.

… und Adamsberg kümmert sich nicht nur um Mord und Gräueltaten bei den Menschen – er kümmert sich auch um eine fast zu Tode gequälte Taube, pflegt sie wieder gesund (zumindest: er organisiert ihre Pflege!) und sucht den minderjährigen Übeltäter. (Natürlich ist er erfolgreich!)

Jeder Roman ist ein kleines Kunstwerk, das uns in dieses komplexe Universum von Adamsberg, seinem Team, dem Mörder, allen anderen Beteiligten, Paris, Frankreich, auch Ausland, eintauchen lässt und uns schließlich aufatmen lässt.

Wenn ihr aufwendige Romane mit versteckten Geheimnissen mögt, die sich dennoch auf das wirkliche Leben beziehen und Lösungen präsentieren, die realistisch sind, obwohl ihr im Laufe des Romans nicht an eine solche Lösung gedacht habt, dann lest Adamsberg-Romane. Jeder Roman ist in sich abgeschlossen.

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a faint cold fear thrills through my veins ... william shakespeare