inspector lynley, sergeant havers von new scotland yard

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Lynley! Es war nur allzu offensichtlich, warum man sie zurückgeholt hatte. Man wollte Lynley den Fall anvertrauen. Aber man brauchte auch eine Frau. Und jeder in der Victoria Street wusste, dass es in der ganzen Kriminalpolizei keine Beamtin gab, die vor Lynley sicher war. Er hatte sich durch sämtliche Abteilungen durchgeschlafen, unersättlich und unermüdlich, wenn man dem Getuschel glauben durfte. Der reinste Deckhengst.
In den fünf Jahren ihrer Zusammenarbeit in der derselben Abteilung hatte der Mann es mit Erfolg vermieden, sie auch nur mit ihrem Namen anzusprechen, ganz zu schweigen von einer, wenn auch noch so flüchtigen, Aufnahme persönlichen Kontaktes, der ihm zweifellos zuwider gewesen wäre. Als wären niedrige Herkunft und öffentliche Schulbildung soziale Krankheiten mit höchster Ansteckungsgefahr.

aus: Gott schütze dieses Haus

Klassenkampf bei New Scotland Yard

Was passiert, wenn ein Adliger und eine junge Frau aus dem Arbeitermilieu ein Team bilden (sollen)? Ein gut aussehender Mann mit viel Sexappeal und eine Frau, die es nicht schafft, ihre Haare einem guten  Frisör anzuvertrauen, geschweige denn Kostüme oder Hosenanzüge zu kaufen, die zu ihrem Job passen… oder sich gar einen Liebhaber zu angeln? Ein Gentleman-Detektiv auf der einen Seite und ein sozial gehandicapter Abkömmling der Arbeiterklasse mit schlechter Ausbildung?

Das genau ist die Grundmischung für die Romanserie über Inspector Thomas Lynley (aka Tommy) und Sergeant Barbara Havers (aka Barb). Beide arbeiten für New Scotland Yard und machen sich immer wieder auf, um Mordfälle in ganz Großbritannien zu lösen. Alle Romane sind klassische Krimis à la „Mord – Ermittlung – Überführung des Täters”, die sich in ihren eigenen kleinen, aber recht komplexen Welten abspielen, in denen Mord plötzlich, unerwartet und mit seiner eigenen Brutalität zuschlägt.

Ich habe mich eine Zeitlang mit dem Zeitrahmen beschäftigt. Die Romane sind innerhalb einer Zeitspanne von 30 Jahren veröffentlicht worden, aber Tommy und Barb sind nicht um 30 Jahre gealtert. Natürlich nicht. Im ersten Roman ist Barb 30 Jahre alt und Tommy scheint etwa 35 Jahre alt zu sein – also haben wir etwa fünf Jahre Altersunterschied zwischen ihnen. Später wird Barb als Mitte 30 bezeichnet, was bedeutet, dass Tommy etwa 40 Jahre alt ist… und sie scheinen nicht viel älter zu werden. (Obwohl Tommy später eine Lesebrille trägt!)

Es gibt Hinweise auf aktuelle Ereignisse wie die Prinzessin Di-Besessenheit einer Sekretärin, aber später beschäftigt sich diese Sekretärin mit anderen aktuellen Ereignissen. Diese Serie lebt also von dem Phänomen, dass beide Protagonisten nie (wirklich) älter geworden sind, aber jede technologische, politische, soziale und gesellschaftliche Entwicklung, die inzwischen stattgefunden hat, präsent ist.

Fassen wir zusammen:
Jeder Roman ist auf dem neuesten Stand der technisch-sozialen Entwicklung, während das Duo von New Scotland Yard irgendwo in ihren 30ern bzw. 40ern lebt.

Klassenkampf?
Barb ist ein wahrer Sprössling der Arbeiterklasse, voller Verachtung und Respektlosigkeit gegenüber der Oberschicht. Sie ist immer misstrauisch gegenüber den Motiven reicher Menschen, die an Mordfällen beteiligt sind, und neigt zu voreiligen Urteilen. Manchmal ist ihr Bauchgefühl in Ordnung, aber manchmal geht es auch ziemlich daneben.

Wegen ihrer Impulsivität riskiert sie mehr als einmal ihren Job und wird wieder auf den Rang eines PC (Police Constable) heruntergestuft. Eine Bestrafung, die sie nicht so leicht verkraften kann.

Auf der anderen Seite hält Tommy zu ihr und versucht, sie zu beschützen. Er hat ziemlich früh erkannt, dass Barb einige Qualitäten und Charakterzüge besitzt, die ihm fehlen. Wenn Barb rücksichtslos ist und über die Reichen und ihre Privilegien herzieht und schimpft, quittiert Tommy dies einfach nur mit einem Strinrunzeln. Barb ist bei ihren Kollegen nicht beliebt oder gar ein Lieblingskandidat der Vorgesetzten für irgendeine Beförderung – und ihr ist es …egal. Ihr Leben wird natürlich wegen dieses Verhaltens ziemlich kompliziert.

Tommy hingegen ist der 8. Earl of Atherton und Besitzer eines großen Anwesens in Cornwall, eines prächtigen Stadthauses in London, mit Dienerschaft… und genug Geld, um ein sorgloses, arbeitsfreies Leben zu führen – wenn… wenn er nicht davon überzeugt wäre, zum Wohle der Gesellschaft arbeiten zu müssen. Deshalb ging er zu New Scotland Yard. (Natürlich geht Barb davon aus, dass er von Anfang an eine Karriere angestrebt hat und später Polizeichef werden wird.) …und – so ganz nebenbei – er ist ziemlich gut in seinem Job.

Tommy hat einen schwierigen familiären Hintergrund. Sein Vater ist gestorben, seine Mutter hat einen Geliebten, den er nicht mag. Sein Bruder ist ein Junkie, seine Schwester ist…. was auch immer. Als er in den 20ern einen Autounfall verursachte, als er betrunken hinter dem Steuer saß, wurde sein bester Freund schwer verletzt und ist bis heute behindert. Noch immer macht ihm dieses Ereignis schwer zu schaffen.

Er heiratet standesgemäß eine Lady von blauem Blut, aber die Ehe scheint nicht so glücklich zu sein wie gedacht. Seine Frau wird schwanger, aber sie wird von einem Jungen aus Spaß getötet. Tommy ist verzweifelt und verlässt den Polizeidienst für Monate. Doch Morde passieren überall und zwingen ihn, zurück ins wirkliche Leben zu kommen. Es gibt auch neue Frauen in seinem Leben, aber es scheint immer ein wenig hoffnungslos – vielleicht werden die nächsten Romane die Beziehungssituation klären.

Barb hatte einen geistig behinderten Bruder, der viel Aufmerksamkeit von seinen Eltern brauchte. Dies zerstörte langsam die Familie. Schließlich lebt nur noch Barb’s Mutter, die zunehmend an Demenz/Alzheimer leidet. Schließlich erkennt sie nicht einmal mehr die eigene Tochter. Barb kämpfte lange Zeit mit sich, bis sie beschloss, ihre Mutter in einem Pflegeheim unterzubringen. Auch Barb muss also ihr Kreuz tragen. Zusammen mit ihren übrigen sozialen Problemen bleibt hervorzuheben, dass sie noch nie einen Freund, einen Geliebten hatte… Sie lebt für ihre Arbeit und ist besessen von der Aufklärung von Mordfällen und der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung – die Justiz muss ihren Lauf nehmen.

So haben wir hier nun zwei Menschen, die der Gesellschaft bzw. der Gemeinschaft dienen wollen, indem sie Mordfälle lösen und die Täter vor Gericht bringen.

Insgesamt haben die beiden bisher 21 Fälle durchlebt: einige in London, aber meistens finden sie sich irgendwo in England oder sogar Schottland wieder. Jedes Mal tauchen beide in diese kleinen, komplexen Welten ein – und jede dieser Welten wird ausführlich beschrieben. Es gibt Menschen, die morden und abschlachten und vergewaltigen und stehlen und betrügen… und es gibt Menschen, die daneben stehen, aber nur zu ihrem eigenen Nutzen und ihrer eigenen Sicherheit handeln, Menschen, die leiden, Menschen, die lügen, Menschen, die einfach nur weitermachen. Jeder hat seine eigene Motivation für sein Verhalten, jeder hat seine eigene Geschichte. Der Auslöser für einen Mord liegt oft tief in der Vergangenheit begraben.

Die kleinen Welten, in die Tommy und Barb eintauchen, werden mit viel Aufwand und Liebe zum Detail visualisiert; viele Menschen werden vorgestellt, um ein Gesamtbild zu schaffen, um die inneren Verhaltensregeln und die Denkweisen zu skizzieren, die das Geschehen beeinflussen und steuern. Deshalb sind die Romane immer ziemlich umfangreich – richtig dicke Wälzer.

Werfen wir einen kurzen Blick auf die Polizeiorganisation: Es gibt die Oberschicht, d. h. die „Chefs“ (aka “the brass“). Tommy berichtet an einen Superintendent; darüber ist der Assistant Commissioner, der mit Abstand über dem Tagesgeschäft schwebt, aber tief in der Politik gefangen ist. Dies ist die Ebene, auf der „Polizisten“ bereits von einem Adelstitel träumen. Im Laufe der Zeit gibt es Veränderungen auf dieser Ebene – Chefs kommen und gehen. Bemerkenswert ist, dass Tommy in den späteren Romanen – im Grunde bis dahin immer tadellos und fast unantastbar – eine toxische Affäre mit seinem Superintendent (natürlich eine Frau) riskiert.

Es gibt die allgegenwärtigen Sekretärinnen – alle lieben Tommy und bewundern ihn (zumindest kann ich mich an nichts anderes erinnern)!

Es gibt die Kollegen auf Barb’s Ebene, wo Barb nicht so beliebt ist – im Allgemeinen. Sie sind alle erfolgreicher in der Verfolgung ihrer Karrieren. Barb … ist es egal.

“Last, but not least” gibt es Simon St James, Tommys Kumpel von der Uni, der bei dem berühmten Autounfall schwer verletzt wurde. Simon und Tommy sind Freunde fürs Leben. Simon ist inzwischen ein unabhängiger forensischer Experte geworden, der für New Scotland Yard arbeitet und oft Mordfälle Seite an Seite mit Tommy löst.

Genug! Ich möchte jetzt nicht ins Detail gehen: über Lady Helen, Tommys Frau, oder Deborah, Simons Frau, oder eine der Frauen, die Tommy später kennenlernt, oder über Barbs Beziehung (nicht sexuell!) zu ihrem Nachbarn… Das Umfeld von Tommy und Barb ist ganz interessant und wichtig für viele Mordfälle, eine Beschreibung würde aber den Rahmen dieses Beitrags sprengen.

Bis jetzt habe ich nichts über die einzelnen Fälle geschrieben, außer dass es sich um klassische Krimis handelt. Tommy und Barb untersuchen Vorfälle auf großen Anwesen, in Universitätskreisen, in abgelegenen Dörfern – sogar einmal in Tommys Elternhaus in Cornwall. (Denkt daran, dass der vierte Roman chronologisch eigentlich der erste der Serie ist!)

Macht es euch also bequem, achtet darauf, nicht gestört zu werden, und genießt die Abenteuer von Tommy und Barb! Öffnet einen der dicken Wälzer mit etwa 600 Seiten und versinkt in englischer Lebensweise…

Es gibt natürlich auch eine erfolgreiche TV-Serie über die Abenteuer von Lynley und Havers. Soweit ich weiß, ist die Serie abgeschlossen, d. h. keine weiteren Staffeln sind in Arbeit oder geplant.

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a faint cold fear thrills through my veins ... william shakespeare