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«Wir Privatdetektive sind Barometer der öffentlichen Moral, Biscuter. Ich sage dir, diese Gesellschaft ist verfault. Sie glaubt an nichts.»
«Ja, Chef.»
Biscuter gab Carvalho recht, nicht nur weil er erriet, dass dieser betrunken war, sondern auch, weil er immer bereit war, die katastrophale Lage der Dinge festzustellen.
«Drei Monate, ohne eine Peseta verdient zu haben. Kein Ehemann auf der Suche nach seiner Angetrauten. Kein Vater aus der Suche nach seiner Tochter. Kein geiler alter Bock, der Beweise für die Treulosigkeit seiner Frau haben will.»
aus: Tahiti liegt bei Barcelona
Vom guten Leben in Barcelona
Carvalho hat eine Vergangenheit. Er war während der Franco-Ära Mitglied der kommunistischen Partei, wurde von seinen Genossen verraten und wachte im Gefängnis auf. Später lebte er in den USA und ließ sich mit der CIA ein – er wurde ein CIA-Agent. Schließlich kehrte er nach Spanien zurück, nach Barcelona, und begann, als Privatdetektiv zu arbeiten.
Er ist ein erfolgreicher Ermittler, aber er ist andererseits nicht allein auf die Einkünfte als Privatdetektiv angewiesen. Man denke nur an seine Villa in Vallvidrera, einem mehr als gutbürgerlichen Viertel der Stadt. Seine Ermittlungen befassen sich nicht nur mit dem kriminellen Hintergrund des jeweiligen Auftrags, mit dem er sich beschäftigt, sondern auch mit der spanischen Gesellschaft in all ihren Schattierungen. Carvalho beobachtet und zieht Schlüsse. Er hat so viele Dinge erlebt, dass er weiß, dass nicht alles Gold ist, was glänzt.
Ich habe über Carvalhos Rolle nachgedacht – und auch über ihn als Rollenmodell. Es scheint allgemein bekannt und akzeptiert zu sein, dass Andrea Camilleri seinen Protagonisten Salvo Montalbano, einen Polizeikommissar in Sizilien, nach dem Vorbild von Pepe Carvalho, dem Privatdetektiv von Manuel Vázquez Montalbán in Barcelona, geschaffen hat, weil er den Stil der Carvalho-Romane bewunderte. Beim Vergleich beider Serien fällt auf, dass sich beide Protagonisten nicht nur mit Verbrechen und Verbrechern beschäftigen, sondern auch die gesellschaftlichen Entwicklungen in ihren Ländern mit scharfem Blick beobachten.
Während der Sizilianer Montalbano bis heute aktiv ist, ist Barcelonas Carvalho vor allem ein Kind der 70er, 80er … bis hin zu den 90er Jahren. Auch begann Carvalho als Revolutionär, arbeitete gegen das Establishment, dessen Teil er jedoch später wurde. Trotzdem wurde die Polizei nie sein bester Freund.
Aufgrund seiner Arbeit als Privatdetektiv wird Carvalho von privaten Auftraggebern wie Eltern, die ihre Töchter suchen, Firmen, die um einen Mitarbeiter besorgt sind, Vereinen, die ein Mismanagement in ihren Finanzen vermuten etc. um Hilfe ersucht. Früher oder später gibt es jedoch einen Mord … und manchmal gibt es auch mehr als nur eine Leiche. Die Polizei schaltet sich ein und ist über Carvalho und seine Aktivitäten nicht erfreut. Carvalho ist auch nicht glücklich über die Polizei und ihr Vorgehen, denn sie erinnert ihn immer an seine Jahre im Gefängnis – und dann sind da auch noch jene Polizisten, die die Franco-Ära überlebt haben und immer noch aktiv im Dienst sind.
Carvalho hat einen Assistenten, Biscuter, der sich nicht nur um administrative Aufgaben kümmert, sondern auch um das kulinarische Wohl seines Chefs. Beide haben sich im Gefängnis kennengelernt. Abends kocht Carvalho mit Leidenschaft selbst und isst und trinkt gerne mit seinem Freund und Nachbarn Fuster und seiner Geliebten Charo, einer Prostituierten. Außerdem verbrennt er gerne seine umfangreiche Bibliothek, Buch für Buch in seinem Kamin.
Die Romane sind nicht rasant, aber der Leser kann das Leben, das Barcelona präsentiert, in vollen Zügen genießen. Es ist aber nicht nur das Leben einer Großstadt, sondern auch einer Gesellschaft nach der Franco-Ära, die sich zu befreien versucht, zu leben beginnt und oft übers Ziel hinausschießt. Die herrschende Klasse, die Wohlhabenden, scheinen sich nicht verändert zu haben, obwohl sich das politische Fundament geändert hat. Geld regiert Barcelona, Spanien und den Rest der Welt.