chastity riley, staatsanwältin

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Quelle: pixabay

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Der Himmel hängt tief, er sieht aus, als müsse er sich sofort hinlegen. Von der Elbe steigt Nebel auf, zäh und gemein wie eine alte Krähe. Ich schlage meinen Mantelkragen hoch, aber es hilft nichts: Die Feuchtigkeit kriecht mir in die Knochen. Mein Kopf tut weh, ich habe zu wenig geschlafen. Es ist Anfang März, es ist erst halb acht, und zu meinen Füßen liegt ein totes Mädchen. …
Sie ist nackt, über ihren Hals zieht sich ein ernstzunehmendes Würgemal. Ihre Brüste sind nicht die elegantesten, die man für Geld kriegen kann, aber sie sind ziemlich beeindruckend. Ich frage mich, warum sie so schön da hingelegt wurde und nicht mit dem Gesicht nach unten in der Elbe schwimmt, so wie alle anderen Toten auch. Sie trägt eine billige hellblaue Kurzhaarperücke.
Ich könnte gut eine Tasse Kaffee vertragen. …
»Okay«, sage ich. »Sonst noch was?«
»Oh ja«, sagt er und hebt die Perücke ein kleines Stück an.
Unter der Perücke sind weder Haare noch Haut. Da ist nur verkrustete. blutige Masse. Mir wird auf der Stelle schwindelig.

aus: Revolverherz

Eine getriebene Persönlichkeit

Chastity Riley ist in den 40ern und Single. Die Liebe ist ihr großes Problem. Ihr Vater hat ihre Mutter unendlich geliebt – und als ihn seine Frau verließ und mit einem Kleinkind zurückließ, war er für den Rest seines Lebens gebrochen. Er setzte seinem Leben etwa zwanzig Jahre später selbst ein Ende.

Chastity hat diesen unendlichen Schmerz ihres Vaters all die Jahre miterlebt, als sie heranwuchs. Sie war am Boden zerstört, als sie die Leiche ihres Vaters fand. Liebe war für sie, erst recht nach diesem Ereignis, die schwierigste Sache der Welt. Abstand halten ist für sie die natürlichste Sache der Welt geworden.

Natürlich gibt es den einen oder anderen Mann, zu dem sie sich hingezogen fühlt, aber es reicht nie für ein wirkliches Zusammenleben. Ihr fehlt der Mut, sie hat Angst. Daher bevorzugt sie auch One-Night-Stands oder lockere Beziehungen ohne den nächsten Schritt zu tun. Sie gibt sich große Mühe damit.

Chastity ist Staatsanwältin geworden und beschäftigt sich mit den richtig schmutzigen Verbrechen, die es in Hamburg gibt. Diese Fälle landen alle auf ihrem Schreibtisch. Das sorgt immer für eine Menge Arbeit. Es sieht nie so aus, als ob sich viel Ruhm mit der Bearbeitung und der Aufklärung ernten lässt, aber Chastity wühlt sich durch jeden Dreckhaufen, immer in der Hoffnung, dass der Täter bestraft werden kann und dass die Unschuldigen nicht mehr leiden müssen als unbedingt notwendig. Sie ist immer auf diesem Gerechtigkeitspfad und lässt nicht locker.

Das geht nicht immer gut. Manchmal wühlt Chastity etwas zu viel Dreck auf und etablierte Persönlichkeiten werden nervös – oder gar vernommen, gar nicht zu reden von einer Anklage. Dann kann es schon mal passieren, dass Chastity kurzfristig versetzt wird. Aber schon bald ist sie zurück in ihrem Element …

Chastity erzählt in den Romane über sich und ihre Fälle. Sie tut es in einer sehr eigenwilligen Sprache, manchmal unhöflich, manchmal krass und grausam, aber es passt zu ihrem Leben und ihrer Arbeit. (Schon allein die Sprache macht die Romane lesenswert.)

Der Fokus liegt auf ihr selbst und ihren Gefühlen. Die Fälle sind fast schon zweitrangig. Daher passiert es auch, dass Fälle unaufgeklärt bleiben oder zumindest nicht in einen Status kommen, der eine Anklage erlaubt. Allein Chastity hat für sich den Durchblick und kennt – oder ahnt zumindest – die Wahrheit. Sie weiß, dass sie sich damit begnügen muss, aber sie kann eigentlich nicht wirklich loslassen.

Die Kriminalpolizei hat ein gespaltenes Verhältnis zu Chastity. Es gibt Ermittler, die lieben sie, vergöttern sie, möchten immer wieder mit ihr arbeiten und geben ihr tiefe Einblicke in die aktuelle Lage – und es gibt andere, die gehen lieber auf Abstand. Chastity ist es meist egal, denn sie tut eh, was sie will – und treibt die Polizei ab und zu vor sich her.

Chastity ist ein Fan von St. Pauli und lebt in dieser Gegend von Hamburg, nicht gerade eine Nobelgegend. Sie liebt all diese Loser, denen sie begegnet, mit denen sie trinken kann. Alkohol ist Chastitys bester Freund. Sie hat ihre Stammkneipen und jeder weiß, dass sie gern mehr trinkt als ihr gut tut. Auch ihre Freunde bei der Polizei wissen das, trinken aber gern mit ihr zusammen, bis alle quasi unterm Tisch liegen.

Im Grunde hat Chastity viele Freunde, auch wenn sie in ihrer Wohnung immer allein ist und bleiben möchte. Vielleicht ist es auch einfacher, wenn sie morgens mal wieder mit Kopfschmerzen und Übelkeit aufwacht, weil sie letzte Nacht zu viel getrunken hat. Meist meldet sich das Telefon, wenn sie sich in die Küche schleppt … um sie zu einem Tatort zu rufen. Das ist ihr Startschuss …

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a faint cold fear thrills through my veins ... william shakespeare