inspektor ben devlin aus dem norden irlands

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Die Spezialitäten der irischen Grenzführung sind berühmt. Vor achtzig Jahren wurde die Grenzlinie von Beamten quer durch Felder, Bauernhöfe und Flüsse gezogen: Beamte, die kaum mehr über das Gebiet wussten als das, was sie auf einer Karte sahen. Heute noch leben die Menschen mit den Folgen: Sie besitzen Häuser, wo im Norden die TV-Lizenz gekauft und im Süden der Strom für den Betrieb bezahlt wird.
Wenn sich dort irgendwo ein Verbrechen ereignet und es nicht eindeutig der einen oder anderen Gerichtsbarkeit zugeordnet werden kann, arbeiten die An Garda Siochane der irischen Republik und die Polizei aus Nordirland zusammen und leisten gegenseitig jede vorstellbare praktische Hilfestellung und Beratung, wobei der leitende Detektiv im Allgemeinen entweder über den Ort des Leichenfunds oder die Nationalität des Opfers bestimmt wird.
Folglich stand ich mit meinen Kollegen von An Garda unseren Kollegen aus dem Norden gegenüber, mitten im schneeigen Wind, der flussaufwärts wehte. Der Himmel über uns, von der untergehenden Sonne violett und gelb verfärbt, versprach keine Gnade.
Wir reichten uns die Hände, tauschten Grüße aus und begaben uns dorthin, wo das Mädchen auf seinem Bauch lag, nur eine Hand dem Himmel entgegengestreckt. Der Gerichtsmediziner, ein lokal tätiger Arzt namens John Mulrooney, kniete neben dem nackten Körper des Mädchens und prüfte ihre Muskeln auf Anzeichen von Totenstarre.

aus: Borderlands

Leichen, Leichen … überall Leichen

Nichts ist klar und einfach, selbst mit dem guten Willen und der engen Zusammenarbeit der Polizeikräfte auf jeder Seite der Grenze. Jeder Fall, an dem Detective Inspector Ben Devlin – nur wenige nennen ihn Benedict – arbeitet, hat seinen Ursprung irgendwie diesseits und jenseits der Grenze und die Opfer, die Verdächtigen und die Täter finden sich auch auf beiden Seiten der Grenze. Die Menschen ziehen nach Belieben vom Norden in den Süden und umgekehrt. Leichen werden mal eben jenseits der Grenze abgelegt oder verscharrt. Diese Praxis, speziell aller zwielichtigen Gestalten, macht das Leben und die Arbeit für jeden Polizisten schwierig, unabhängig davon welche der Strafverfolgungsbehörden zuständig ist.

Ben Devlin ist daran gewöhnt. Er kennt seine Nachbarn und Mitmenschen, all die alteingesessenen Familien und ihre Verbindungen über die Grenze hinweg, all seine Übeltäter. Ohne groß Aufsehen zu erregen, folgt er seinen Spuren und seinem Bauchgefühl, beflissen und hartnäckig, ganz gleich, wohin es ihn führt.

Ich war schockiert über das Ausmaß der Gewalt und all die vielen Leichen, die im Laufe der Polizeiarbeit in jeden der Kriminalfälle auftauchten. Diese Serie ist keine actiongeladene TV-Serie, die in New York oder Los Angeles spielt, wo Stunts, Verfolgungsjagden und Schießereien obligatorisch sind; sie spielt im ländlichen Norden Irlands, einem ansonsten idyllischen, abgeschiedenen Landstrich.

Es scheint, dass im Norden Irlands, ob in der irischen Republik, ob im Nordirland des Vereinigten Königreichs, jeder irgendwo seine Waffe(n) versteckt hat, seine Fäuste jederzeit zum Zuschlagen zusammenballt und gleichzeitig für jedes dreckige Geschäft zu haben ist – und sich dabei regelmäßig bis zum Umfallen betrinkt. Außerdem muss man immer im Hinterkopf behalten, dass jeder für sich selbst sorgt, wenn es offene Rechnungen zu begleichen gilt – auf keinen Fall verlässt man sich auf die Polizei. Im Norden Irlands scheint es weit mehr Menschen zu geben, die nach dieser Philosophie leben als anderswo – und natürlich haben sie alle ein Elefantengedächtnis für Vorkommnisse in der Vergangenheit, die nach Wiedergutmachung schreien.

Wie passt Ben in diese Welt?

Ben ist ein Gutmensch. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seine Frau ist Hausfrau und hingebungsvolle Mutter. Beide besuchen regelmäßig die Messe – Ben beginnt seinen Tag oft mit der Frühmesse. Er ist immer davon überzeugt, dass er jedem helfen kann, sogar den Übeltätern. Wenn er einmal von einer Idee überzeugt ist, vergisst er über sein Engagement oft seinen Job – Menschen kommen sogar deswegen zu Tode. Nun: Er ist eben ein Gutmensch.

Das heisst aber nicht, dass er ein hyperkorrekter Polizist ist. Wie seine Kollegen kann er manchmal zuschlagen. Es bleibt festzustellen, dass ein solches Verhalten bei der Polizei im Allgemeinen recht häufig vorkommt. Manchmal führt es bei Ben auch dazu, dass er von bestimmten Menschen oder Unternehmen in einem Fall besessen ist, zumal wenn er glaubt, dass sie die Wurzel allen Übels sind.

Wenn er heim zu seiner Familie zurückkehrt, ist er ein hingebungsvoller Ehemann und Vater (hingebungsvoll wie seine Frau). Sein kurzes Techtelmechtel mit einer anderen Frau (verheiratet mit einem zwielichtigen Geschäftsmann und Politiker) geht nach hinten los und beschädigt seine Karriere nachhaltig. Seine Frau hat weggesehen. Sie ist immer mit ihren Kindern beschäftigt. Ihre Tochter ist im ersten Roman fünf Jahre und schließlich fünfzehn Jahre alt. (Ihr Sohn ist fünf Jahre jünger.) Natürlich macht die Tochter Ärger, wenn sie sich zum ersten Mal in einen Jungen verknallt, dessen Vater Ben aus seiner Arbeit wohlbekannt ist, wenn sie zu einem Halloween-Feuer geht, wo sich alle Kids betrinken wollen … Ben findet das nicht lustig. Sie kommt schließlich mit einem blauen Auge zurück nach Hause, dass sie bekommt, als sie ihrer betrunkenen Freundin bei Übergriffen etwas älteren Jungs helfen will. Der Junge, dem sie ihr blaues Auge zu verdanken hat, wird richtig heftig verprügelt – von ihrem Freund, nicht von Ben, obwohl die Tochter genau das von ihrem Vater erwartet hat. Obwohl sie alle im 21. Jahrhundert leben, scheinen die Regeln für Vergeltung eher altmodisch zu sein – genauso wie die Pläne von Ben und seiner Frau für ihre Tochter – à la Suche nach einem Ehemann, Ehe und Kinder.

Ben kommt jedenfalls gerne abends nach Hause und bleibt bei seiner Familie. Wenn das Telefon klingelt … tritt er sofort in Aktion, und manchmal scheint ihm die Aufklärung von Verbrechen wichtiger zu sein als die Bedürfnisse seiner Familie.

Was geschieht so im Norden Irlands?

Natürlich gibt es immer wieder Vorkommnisse, die auf die Unruhen in Nordirland zurückgehen. Rache ist auch nach zwanzig oder mehr Jahren noch frisch wie damals. Das gilt auch für alle anderen Verbrechen, die vor zehn, vor zwanzig Jahren aus reiner Geldgier begangen wurden. Wenn es Verbrechensopfer in der Vergangenheit gegeben hat, kann man heute noch sicher sein, dass mit einem Mal jemand kommt und beginnt, die Täter zu suchen und zu töten. Im Allgemeinen führt dies erst einmal zu vielen Leichen, und Ben muss daran gehen, die Ereignisse der Vergangenheit zu enträtseln und zu verstehen, um die Puzzleteile der Gegenwart zusammenzusetzen. Das ist nicht so einfach, weil die meisten Beteiligten gegenüber der Polizei gerne schweigen.

Er und seine Kollegen haben daneben mit altbekanntem Schmuggel, Menschenhandel, Drogenhandel, Geldwäsche … zu tun, zusätzlich zu den Altlasten aus der Zeit der Unruhen. Der ländliche Norden Irlands ist plötzlich nicht mehr so idyllisch und schön und rein.

Acht Jahre später … gibt es eine Fortsetzung zu Beginn des Covid Lockdown. Ben scheint sich nicht so sehr verändert zu haben – seine Tochter studiert inzwischen und sein Sohn beendet gerade die Schule … seine Frau ist so beständig und ruhig wie immer. Während er sich mit den Folgen von Covid auseinandersetzt, wird Ben in einen alten Fall von Vergewaltigung und Mord verwickelt. Der Täter ist vor kurzem aus dem Gefängnis entlassen worden – nur um ermordet zu werden. Niemand scheint sich für diesen neuen Fall zu interessieren, außer Ben, der für Gerechtigkeit eintritt. Das Leben ist wieder einmal nicht einfach für Ben, besonders als er erfährt, dass sein Vater im Sterben liegt. Außerdem nähert sich Ben dem Ruhestand – und gleichzeitig bricht diese wunderbare neue Welt der sozialen Medien über ihn herein.

Die Serie zeigt uns eine kleine Welt im Norden Irlands, die keine Grenzen kennt, in ihrer Geschichte und Gewalt gefangen ist, während die moderne Zeit anbricht und schnell von jedem akzeptiert wird, der an sich selbst denkt – wie immer – und versucht, alles für seine ganz speziellen Vorhaben zu nutzen.

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a faint cold fear thrills through my veins ... william shakespeare